Cowboy Klaus und die Rodeo-Rüpel
Eva Muszynski, Karsten Teich (Ill.)
40 S.,
Tulipan Verlag, 2012
Wer kennt eigentlich Cowboy Klaus, Lisa das Schwein und die Kuh Rosi noch nicht? Alle wichtigen Medien haben berechtigterweise das Loblied auf diese Erstlesereihe von Muszynski und Teich gesungen und seit der Cowboy in der Sendung mit der Maus gesehen werden konnte, ist er vermutlich so bekannt wie das Sandmännchen... nur das diese Geschichten keineswegs müde machen. Es gibt schon eine lange Erfolgsgeschichte der Cowboy-Klaus-Bücher: Cowboy Klaus und sein Schwein Lisa, Cowboy Klaus und der fiese Fränk, Cowboy Klaus und das pupsende Pony, Cowboy Klaus und die harten Hühner, und Cowboy Klaus und Otto der Ochsenfrosch haben schon eine große Fangemeinde erreicht. Im neuen Band von Cowboy Klaus und den Rodeo-Rüpeln geht es um die Geschicklichkeit in den Cowboy-Disziplinen: Reiten von wilden Pferden, Bullenfangen und Hufeisen werfen. Dass dabei rüpelige Cowboys unangenehm auffallen, dass sogar mit fiesen Tricks gearbeitet wird und trotzdem der Gute gewinnt, das freut Leseanfänger beiderlei Geschlechts gleichermaßen. Allerbeste Unterhaltung! Jps
Tripp, Trapp und Trümmer
Daniel Zimakoff
Aus dem Dänischen übersetzt von Christine Heinzius
84 S.,
Klett Kinderbuch 2012
Christian mit fast 13, Benny mit 11einhalb und Adam mit 9 Jahren werden von ihrem Opa Tripp, Trapp und Trümmer genannt, von ihrem Vater schlichtweg Terrortrio. Nach Bennys Aussage ist Christian superstark aber nicht der Schlauste, Adam sehr mutig und Benny ist für die Ideen zuständig, was ihn durchaus manchmal nervt. In dieser Rollenverteilung versuchen die drei zunächst ihren Appetit auf Eis zu stillen, trotz elterlicher Taschengeldsperre. Dann aber „leihen“ sich kurzerhand das erforderliche Geld und kommen so in einen Strudel kindlicher Beschaffungskriminalität ... Die Verwicklungen, Ideen und Anstrengungen, alles am Ende doch wieder einzurenken, werden immer skurriler, sind aber nicht nur höchst amüsant zu lesen sondern auch von hohem Widererkennungswert. Ein Jungenbuch für männliche Klein-kriminelle ab 8, erfreulicherweise gibt’s bald Serien-Nachschub! JPS
Nur Mut, kleiner Luis
Mario Ramos , Tobias Scheffel (Übers.)
56 S.,
Moritz Verlag, 2012
Märchenhaftes in die aktuelle Welt übersetzen war schon immer eine der herausragenden Qualitäten von Mario Ramos. Diesmal steht wieder ein Wolf im Mittelpunkt der Geschichte- allerdings ein Kleiner, der zu allem Überfluss auch noch in eine reine Schweinchenklasse gesteckt wird. Und so wird der Fremdling geärgert und gemobbt, dass es so eine Art hat. Bloß der kleine Jojo, der Wölfe sowieso schon immer spannender fand als Schweine, spielt mit Luis und besucht ihn auch zuhause, als Luis wegen Krankheit fehlt. Dort stellt sich dann auch heraus, dass die drei dicken Schweine Luis auf dem Schulweg mehrfach bedroht und sogar angegriffen haben, und dass Luis nun nie wieder zur Schule gehen will. Aber Jojo hat eine gute Idee, wie sie den drei fiesen Schweinen richtig Angst machen können und so ist es endlich vorbei mit der Bedrohung. Freundschaft und Unterstützung trotz Unterschiedlichkeiten ist ein heilsames und tröstliches Fazit dieser Geschichte für Erstleser. Ramos´ bekannt lockere Illustrationen und sein pointierter Text machen das Buch zu einem Lesegenuss
mit möglichem Wiedererkennungswert. JPS
Regenwurmtage
Antje Damm
56 S.,
Moritz Verlag, 2011
Die ersten richtigen Schultage sind schon ziemlich aufregend: obwohl der Weg mit Mama geübt wurde, muss man sich zurechtfinden, und dann wird auch noch ein Junge neben einen gesetzt, wo doch Jungen doof sind. Aus der Sicht von Ida berichtet Antje Damm von ihren eigenen Erlebnissen zu Beginn der Schulzeit und obwohl das schon ein Weilchen her ist, trifft sie doch genau den richtigen Ton. In der Schule riecht es so komisch, die vielen fremden Kinder
scheinen sich alle schon zu kennen und zuhause wäre es jetzt bestimmt viel schöner... Wäre da nicht die Sache mit der Regenwurm-Rettung, wegen der die kleine Ida einen Eintrag in ihr Heft bekommt: mehr als 15 Regenwürmer müssen aus Pfützen auf dem Gehweg gerettet werden und zurück auf die Rasenflächen in den Vorgärten, kein Wunder, dass sie deswegen 8 Minuten zu spät kommt. Aber der Sitznachbar sagt, dass er die Rettungsaktion cool findet und beim nächsten Mal mitmachen möchte, und Mama schimpft zuhause nicht, sondern liest Ida ganz viel über Regenwürmer vor. Und es stellt sich heraus, dass doch nicht alle Jungen doof sind; beim nächsten Regenwurmtag bekommt Ida Hilfe von ihrem Sitznachbarn, und zusammen zu spät kommen ist gar nicht so schlimm. Wunderschönes aus der Erstlesereihe beim Moritzverlag! JPS
Hasenbrote
Antje Damm
56 S.,
Moritz Verlag, 2012
Kinderbuchpreis des Landes Nordrhein-Westfalen 2012
Sagte ich schon, dass mir die gesamte Erst-Lese-Reihe des Moritzverlags außerordentlich gut gefällt? Und Antje Damm ist eine wichtige Bereicherung dieser Reihe, mit „Hasenbrote“ hat sie einen weiteren, herzerfrischenden Buchbetrag geliefert. Da hat sich nämlich Opa Hansel zum Besuch ange-kündigt. Die Vorfreude der Kinder mischt sich mit Mamas Putzattacken, dem Heraussuchen der individuellen Lieblingsspiele der verschiedenen Kinder und dem Chaos, was immer dann ausbricht, wenn schnell noch ein paar letzte Vorbereitungen getroffen werden müssen...Erneut aus der persönlichen Erinnerung und mit liebevollem Blick auf ihre Familie aufgeschrieben, schafft Damm eine große Text-Bild-Dichte, die junge und ältere Leser gleichermaßen
entzückt.
Rabauken-Reime
Gerald Jatzek (Text), Andrea Steffen (Illustr.)
61 S., Nilpferd in Residenz, 2011
Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2012
Bei dieser Sammlung von Gerald Jatzeks besten Gedichten kommen liebevolle Rabauken ebenso auf ihre Kosten wie blödelnde Wortnarren, musikalische Rhythmusfanatiker und kritische Philosophen. Der Wiener Autor, Musiker und Journalist, der 2001 den österreichischen Staatspreis für Kinderlyrik erhielt, beherrscht mit Souveränität alle Regeln der hohen Kunst mit wenig Worten viel auszusagen und noch mehr auszulösen. Die Unsinnsgedichte strotzen so vor Sprachspiel und Wortwitz, dass selbst Lyrikmuffel in den Sog der Metrik geraten und unweigerlich weiterreimen werden. Besinnlichere Gedichte wie „Die Zeit“ („Man kann sie vergeuden
/man kann sie vergessen,/doch was man versäumt hat,/kann man nicht messen“) gehören inzwischen zu den modernen Klassikern der Kinderlyrik und können zu wertvollen Begleitern durchs Leben werden. Andrea Steffen illustriert nicht nur, sie gestaltet das gesamte Buch zu einem lebensfrohen Gesamtkunstwerk (zumal es zu vielen der Gedichte Vertonungen gibt). NvM
Das Ministerium der Buchstaben - Operation Alphabet
Al MacCuish (Text)
Luciano Lozano & Jim Bletsas (Ill. und Gestaltung).
Aus dem Engl. von Reinhard Pietsch
61 S., Knesebeck, 2011
Dieses durchgestylte Bilderbuch im Retrolook der 1950er und -60er hat sich in England und den USA bereits als unschlagbare Geheimwaffe im Kampf gegen „Alpha-Beta-Allergie“ bewiesen. An dieser traurigen Krankheit leiden vor allem Jungs wie Charlie Foxtrott, dem die 26 Buchstaben einfach nicht in den Kopf gehen wollen. Aber glücklicherweise weiß die Spezial-Alphabet-Einheit (S.A.E.) des streng geheimen Ministeriums für Buchstaben Abhilfe zu schaffen. Unter Lebensgefahr begibt diese sich zu Charlie und führt eine atemberaubende ABC-Revue auf, in der jeder der 26 Spezialagenten einen Sonderauftritt hat. Kein Wunder also, dass Charlie den Schultest am nächsten Morgen mit Bestnote besteht. Vor allem aber hat er dank Oberst A und seiner heldenhaften Truppe den Schlüssel zur „weiten Welt der Wörter“ entdeckt. Neben einer App bietet die begleitende Internetseite www.ministryofletters.com umfangreiches Material für pädagogisch unbelastete Leseförderung, das weitgehend auch im Deutschen funktioniert. Denn das ist ja das größte Geheimnis des Ministeriums: Wie es aus seinen 26 Mann nicht nur unendlich viele spannende Geschichten zusammenstellt, sondern sogar verschiedene Sprachen bildet... (NvM)
…6,7,8, Gute Nacht,
Michael Roher (Text und Ill.)
24 S., °luftschacht, 2011.
Schwerelos schweben Wildschweine in roten Rüschenröcken, Einrad fahrende Fische oder Elefanten mit Schmetterlingsflügeln über die verträumten Doppelseiten dieser verspielten Gute-Nacht-Gedichte. Dabei halten sich Fantastik und Naturalismus elegant die Waage: Die Tiere erscheinen in anatomisch genauen, schwarz schraffierten Zeichnungen in bester Sachillustrationsmanier; erst die Gesamtkomposition und artfremde Attribute entführen diese Wesen – und mit ihm die Leser – in fremde Gefilde. Dieses ebenso naturgesetzlose wie träumerisch natürlich wirkende Nebeneinander wird durch die Collagetechnik künstlerisch in Szene gesetzt und sprachlich in Reime gebunden. Die Verse strahlen Witz und Geborgenheit aus, und der refrainartige Endreim „Gute Nacht“ verleiht dem Buch eine Einheit, die so leicht wirkt wie die sechs Fäden, an die das lyrische Ich seine „sieben lieben Lieblingsträume“ hängt. NvM
Frerk, du Zwerg
Auswahlliste DJLP 2012
Finn-Ole Heinrich(Text)
Rán Flygenring ( Illustration)
96 S. , Bloomsbury 2011
Was für eine Geschichte!
Frerk ist eher klein und komisch angezogen ist er auch, eigentlich so wie sein Vater. Seine Mutter erlaubt Frerk nicht viel und sein Vater redet nicht viel. Aber eines Tages findet Frerk ein Ei, dass er in seiner Hosentasche ausbrütet. Allerdings schlüpft kein Hund aus, was Frerk sich gewünscht hätte, sondern 5 anarchische Minizwerge. Mit Hilfe dieser völlig wilden Gestalten lernt er nicht nur Zwergisch (Brät, brät), er zieht auch an, was er will, isst Äpfel und Bananen ungeschnippelt und setzt sich gegen Mutter und Vater durch- Zeit wurde es ja. Eine wilde Geschichte voller Lebenslust und unangepasster Energie, aufs schönste untermalt mit den wilden und gegen den Strich gebürsteten Illustrationen von Rán Flygenring. Dieses Buch wird sicher erst von Erwachsenen akzeptiert werden müssen, bevor es nach diesem Umweg bei den Kindern landen kann...„schüttel dich, lach laut, rühr um, geh ab...“ Viel Spaß! JPS.
Matti und Sami
und die drei größten Fehler des Universums
Auswahlliste DJLP 2012
Salah Naoura (Text)
142 S. , Beltz & Gelberg 2011
Matti und Sami sind Brüder. Matti, der Ältere, entwickelt die Theorie, dass man möglicherweise Fehler des Universums ausgleichen könnte. Diese Fehler kann man sich so vorstellen, wie kaputte Glühbirnen, die kann man ja schließlich auch auswechseln. Jedenfalls wäre das echt klasse, wenn es funktionieren würde, denn das Universum macht ziemliche Fehler und Matti muss eine Menge ausgleichen. Dass er dabei sehr kreativ vorgeht mag zum Teil auch an seinen finnischen Genen liegen. Denn auch Mattis finnischer Vater, der nur sehr selten überhaupt etwas sagt, wird unter Wodka-Einfluss im Wettstreit mit seinem Bruder sehr kreativ, vor allem beim Erfinden von Geschichten. Leider glaubt Matti zunächst jedes Wort seines Vaters und ist entsprechend enttäuscht, als sich die rosige Zukunft als Lügengebilde herausstellt. Keine Frage, da muss wieder etwas ausge-glichen werden. Mit unglaublicher Dynamik und einer Menge finnischem Humor rast die ganze Sache einem guten Ende entgegen- Hammerlustig und lesenswert! JPS.
Mein glückliches Leben
Auswahlliste DJLP 2012
Rose Lagercrantz (Text)
Eva Eriksson (Illustration)
Aus dem Schwedischen übersetzt von Angelika Kutsch
140 S. , Moritz Verlag 2011
Dunja, genannt Dunne, überbrückt die Zeit bis zum einschlafen nicht mit Schäfchenzählen, das ist langweilig, nein, Dunne zählt ihre glücklichen Momente im Leben. Diese Methode hilft dabei, sich vor Augen zu führen, dass es sie durchaus gibt, diese glücklichen Momente, auch wenn mal nicht alles so toll läuft. Und in Dunnes Leben ist schon einiges schief gelaufen. Aber mit ihrem unerschütterlichen Glauben an das Glück findet sich immer wieder einen Grund für Freude. Dieses Buch werden junge Mädchen, die in die Schule kommen, lieben und die Eltern, die ihnen daraus vorlesen, auch! JPS.
Das Schaurige Haus
Auswahlliste DJLP 2012
Martina Wildner
208 S., Beltz & Gelberg 2012
Zu Martina Wildners schaurigem Haus fühlt man sich sofort hingezogen und vergisst schnell, dass man Leser ist und nicht Besucher - bei Hendrik und Eddi, zwei Thüringer Jungs im Alter von 12 und 6, die es ins Allgäu verschlagen hat. Der Vater hat nur hier eine berufliche Zukunft, die Mutter ist von Anbeginn unglücklich in dem neuen alten Haus. Nicht nur sprachlich ist das tiefste Bayern für alle zunächst eine Herausforderung. Hendrik knüpft zwar zarte Bande zu Ida, was ein wenig zur deutsch-deutschen Verständigung beiträgt. Doch Eddi scheint in einen schaurigen Strudel zu geraten durch ein Geheimnis, das auf dem Haus lastet und es beinahe ächzen lässt. Mysteriöse Erscheinungen, ein mysteriöses Zimmer, jede Menge Nacktschnecken, Nachtwandler, ein Pestkirchlein, Kinder-gräber und ungesühnte Verbrechen. Das hält uns Leser bei der Stange - und wir werden nicht enttäuscht. Bis zum Schluss schaurig und voll glitschiger Schnecken ... MK
Adile
Ein Mädchen aus Istanbul
Anja Tuckermann, Ulrike Barth-Musil
87 S.
Klett Kinderbuch
Pünktlich zum 50jährigen Jubiläum des Anwerbeabkommens mit der Türkei ist 2011 dieses bemerkenswerte Buch zum Thema Migration erschienen-früher sprach man noch von Gastarbeitern.
Aus der Perspektive der kleinen Adile erzählt Anja Tuckermann mit schöner, klarer Sprache von den enormen Schwierigkeiten, die die Umsiedlung in ein fremdes Land mit sich bringt. Sorgfältig recherchiert steht neben den persönlichen Hintergründen der türkischen Familie die sich verändernde politische Stimmung im deutschen Einwanderungsland. Die unterschiedlichen Geschlechterrollen, die auch bei den Kindern wirksam sind, aber auch die individuellen Charakterzüge der Protagonisten kommen im Zuge der Geschichte zur vollen Entfaltung. Die mitfühlende aber nie sentimentale Beschreibung der unterschiedlichen Lebensumstände wird aufs Vorteilhafteste unterstützt durch die an Fotografien orientierte Art der Illustrationen. So verbindet beide ein „sachlicher“ aber durchweg liebevoller Blick. Die Erzählung endet damit, dass Adile sich der Lehrerin in der Schule wegen der Misshandlungen ihres brutalen Vaters anvertraut.
Aber damit ist das Buch noch nicht zu Ende: auf Seite 82 befindet sich ein Kinderfoto von Adile, die es wirklich gibt. Aus ihrer persönlichen Beziehung mit der Autorin und aus gelebter Erfahrung im damaligen Westberlin stammen viele der Informationen im Buch. Wie gut, zu erfahren, dass es Adile gut geht, wie es damals weiterging und wie wichtig es ist, sich nicht unterkriegen zu lassen. Ein Zeitzeugnis aus den 70er Jahren, das vielleicht auch interessant ist für die Kinder der dritten Generation türkischer Migranten in Deutschland. Jps
Anton taucht ab
Milena Baisch
102 S.
Beltz & Gelberg
Auswahlliste DJLP 2011
Anton nennt sich zwar selbst „Starflashman“, liebt aber auch die kuschelige Nähe mit seinen Eltern. Doch nun fährt er in den Ferien mit seinen Großeltern zum campen an einen See. Dort ist er, der sonst seine Tage mit Computerspielen und chatten verbringt, plötzlich mit der wilden Natur konfrontiert: dem See, Fischen und anderen Kindern. Am Anfang entwickelt er aus Angst eine Abneigung gegen all das, doch nach und nach entdeckt er draußen nicht nur eine neue Welt und neue Freunde, sondern auch drinnen eine neue Kraft.
Das Buch führt den Leser in die Zeit zwischen dem nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen sein. Antons Gefühle und Erlebnisse, zwischen Wutausbrüchen und Angstgefühlen, werden durch die „jugendliche“ Sprache unterstrichen und zeigen die unausgeglichene Stimmung des Protagonisten einmal mehr: alles schwankt zwischen „stark übertrieben“ und „nicht authentisch“.
Erwähnenswert sind drei gestalterische Besonderheiten:
rechts unten in den rechten Ecken gibt es ein Daumenkino zu entdecken (Nachbasteln ist ne gute Idee), als eine Art „Kapitelüberschriften“ werden die Inhalte durch ein kleines schwarz-weiß Bild vorgestellt, und das (Drucker-)Schwarz sowohl der Typografie als auch der Bilder wurde durch ein sehr dunkles Grün ersetzt, was allerdings meiner Ansicht nach keinerlei Auswirkung auf die Leseerfahrung hat.
Dieses Buch versetzt entweder zurück in die Anfänge der Pubertät oder stellt einen Leidensgenossen vor. Mich regt es zum Nachdenken über eigene Prinzipien und dem Umgang mit dem Neuen an, auf humorvolle Art. Vielleicht eine gute Idee, um sehr junge Nerds (9-13 ) mal vom Computer weg zu locken? JR
Hundewinter
K.A. Nuzum
205 S.
Carlsen Verlag
(Auswahlliste
2011)
Wieder eine Geschichte über den Tod und über
Trauerarbeit, aber diesmal ganz anders: das Mädchen Dessa Dean ist
traumatisiert, sie musste den Erfrierungs-tod ihrer Mutter miterleben,
den sie nicht verhindern konnte. Nun lebt sie alleine mit ihrem Vater,
einem Trapper, ein entbehrungsreiches und einsames Leben in der
einfachen Holzhütte. Ständig versucht sie, gegen ihre starken Ängste
beim Verlassen der Hütte anzukämpfen, möchte ihren Vater bei der
Arbeit unter-stützen und vor allem, ihm nicht mehr länger mit ihren
Ängsten zur Last fallen. Aber erst ein ebenfalls verletzter Hund
schafft es, Dessa zurück ins Leben und auch ihrem Vater wieder näher
zu bringen. Die ruhige Art des Erzählens und die atmosphärisch dicht
geschilderten Naturszenen geben dem Roman den nötigen Raum für die
Schilderung der langsamen Heilung des Mädchens. jps
Onkel Montagues
Schauergeschichten Chris Priestley (Text),
David Roberts ( Ill.)
223 S.
Boomsbury Verlag
(Auswahlliste 2011)
Der Junge Edgar besucht während der
Schulferien immer wieder gern seinen merkwürdigen Onkel Montague, der
in einem noch merkwürdigeren Haus in einem abgelegenen Teil des Waldes
wohnt. Schon der Weg dorthin ist nichts für nervenschwache Kreaturen,
doch Edgar weiß ja, was er dort will: Onkel Montague kennt eine Menge
sehr schauerlicher Geschichten. Immer ranken sich die Geschichten um
einen Gegenstand aus dem düsteren Raum, in dem Onkel und Neffe sich
treffen, und mit jeder Geschichte werden die furchtbaren Ahnungen
spürbarer und der Grusel stärker. Und was hat es mit diesem seltsamen
Diener Franz auf sich, der nie zu sehen ist und der außerdem eine
Menge viel zu lauter und furchterregender Geräusche von sich gibt? Mit
fort-schreitendem Lesen ruscht man selbst immer unruhiger herum, hat
man es hier doch mit einer Erzählung à la Edgar Allen Poe zu tun. Der
schaurig schöne Gruseleffekt der Geschichten wird durch Roberts
schwarz-weiße Federzeich-nungen genial unterstrichen und die
Atmosphäre des Grauens zieht einen unnachgiebig in ihren Bann. Ein
Muss für Gruselfans! Jps
Rosie und der Urgroßvater Monika Helfer/Michael Köhlmeier (Text),
Barbara Steinitz ( Ill.)
141 S.
Hanser Verlag
(Auswahlliste 2011)
Rosi liebt es, jeden Mittwoch ihren
Urgroßvater zu besuchen und mit ihm Geschichten auszutauschen. Sie
erzählt Geschichten aus ihrem aktuellen Erlebnisumfeld, der
Urgroßvater erzählt Geschichten aus seiner alten Heimat, dem kleinen
Ort Hohenems in „Austria Europe“, die er mit ins Amerikanische Exil
gebracht hat. Es gibt immer ganz bestimmte Rituale und Abfolgen, die
eingehalten werden, zwischen Rosi und ihrem Großvater, um das
gegenseitige Erzählen spannend zu halten und sich dabei auch noch ein
wenig zu necken. Bei all den Geschichten die der Großvater erzählt
kommt es auch immer wieder dazu, das Rosie nachfragt und dabei etwas
aus ihrer eigenen Familiengeschichte erfährt. Diese Form des Erzählens
und damit des Weitergebens der Familien- geschichten und –Geheimnisse
ist wohl das, was alle Kinder der Welt mit ihren Großeltern oder
Urgroßeltern teilen, wenn sie sie noch fragen können.
Barbara
Steinitz´s beleuchtete Scherenschnitte schaffen eine gestalterische
Brücke zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit und laden zur
Wiederbelebung dieser alten Kunstform ein. Jps
Ich, Gorilla und der
Affenstern Frida Nilsson (Text) , Ulf K. (
Ill.)
164 S.
Gerstenberg Verlag
(Auswahlliste
2011)
Das Mädchen Jonna lebt zusammen mit 50 anderen
Waisenkindern in einem Heim, das von der strengen und unfreundlichen
Leiterin Gerd schon seit langer Zeit unnachgiebig geführt wird. Eines
Tages passiert etwas absolut Unvorhersehbares: Jonna wird von einer
Gorillafrau adoptiert.
Natürlich hat sie die allergrößten
Ängste, zumal ihr Aaron grade vorher eingeredet hatte, das Gorillas
kleine Kinder fräßen. Aber schon nach kurzer Zeit stellt sich heraus,
dass Jonna es gar nicht besser hätte treffen können; Gorilla hat nicht
nur ein großes Herz sondern auch eine ganz spezielle Vergangenheit...
Die langsame Annäherung der beiden beschreibt auf höchst
eindrucksvolle Weise die Erfahrung des Fremdseins und Andersseins. Und
hier liegt auch die besondere Qualität dieses Buches: diese Gefühle
der Scham, der Angst und des wachsenden Verständnisses für jemanden,
den man nach und nach lieb gewinnt, haben viele Kinder schon erlebt.
Hier können sie nachlesen und nachfühlen, worauf es im Leben wirklich
ankommt.
Ulf K. hat mit seinen Illustrationen sowohl der
Gorilla-Dame als auch der kleinen Jonna eine Gestalt verliehen, deren
Charme man sich nicht entziehen kann. Der comichafte Zeichenstil
spricht Jungen und Mädchen gleichermaßen an und illustriert im besten
Wortsinne diese zauberhafte Geschichte. Unbedingt lesen! jps
Rabenhaar
Do van Ranst
127 S.
Carlsen
Auswahlliste DJLP
2009
Bram, der zurückhaltende Ich-Erzähler, trifft wie
jedes Jahr in den Sommerfreien seine Freunde in Victors Schuppen.
Dorthin ziehen sich die acht Mädchen und Jungen zurück, um einen Plan
für ein gemeinsames Spiel zu entwickeln, wie sie das seit Jahren tun.
Aber diesmal ist es anders, denn alle spüren, dass es das letzte Mal
sein wird, dass sie noch zusammen spielen können. Und daher soll es
irgendwie größer, besser und besonders werden. Seit dem letzten Jahr
ist auch das Mädchen Fatima, genannt Rabenhaar, Teil der Clique.
Allerdings muss sich Rabenhaar mit den andern jetzt heimlich im
Schuppen treffen, denn ihr Vater hatte im letzten Jahr ihr Spiel
empfindlich gestört und seiner Tochter danach den Umgang mit den
Kindern verboten. Da hatten sie „Film“ gespielt, und Rabenhaar war
gerade fertig geschminkt für eine Kussszene mit Bram, als ihr Vater
hereinplatzte und sie laut schimpfend mitnahm. Und jetzt schlägt
Rabenhaar vor, diesmal könne man ja Hochzeit spielen...
Do van
Ranst erzählt behutsam die Geschichte einer Kindergruppe am Rand des
Erwachsenwerdens, vom Verliebtsein und von kulturellen Unterschieden.
Zudem schafft er es wie beiläufig, das Thema Zwangsheirat auf
kindgerechte und doch deutliche Art anzusprechen.
Und es
gelingt van Ranst, dem Spiel(en) die kreative Kraft der Subversion und
des Widerstands zurück zu geben, die es in sich trägt. Im Spiel können
alle „so tun, als ob“, dabei Grenzen überschreiten und ausprobieren,
wie es sich anfühlt, jemand anderes zu sein. Oder eben auch ganz man
selbst. Ein großartiges Buch! jps
Rico, Oskar und die
Tieferschatten Andreas Steinhövel
220 S.
Carlsen Verlag?
Auswahlliste DJLP 2009
„Was soll denn der Schmarren“ meckert Lorenz (Ende vierte Klasse, er
muss täglich drei Seiten lesen, um sein Lesevermögen zu
verbessern). Eine ecklige, schmierige Nudel, „gefunden“ von Rico, ist
für Lorenz der blödsinnige Anfang einer Pflichtlektüre.
Aber schon nach wenigen Seiten ist er von der Geschichte gefesselt,
will sogar selbst weiter lesen. Lorenz kleiner Bruder, seine Mutter,
sogar sein Vater wollen mithören, was der Rico für seltsame,
manchmal gruselige Gedanken hat, was der hochbegabte Oskar für
ein komisches Kind ist?! Und ist es nicht direkt umgekehrt: Oskar
tiefbegabt und Rico hochbegabt? Das Buch hat die ganze Familie in
Spannung gehalten.
Andreas Steinhöfel stellt uns in seinem Kinderkrimi zwei
Kinder vor, die es im Alltag nicht leicht haben: Rico bezeichnet sich
selbst als tiefbegabt und ist ein lebensfroher Schlingel. Für die
großen Ferien hat sein Lehrer ihm aufgetragen, ein
Computer-Tagebuch zu schreiben. Und Oskar ist eher ein hochbegabtes
aber ängstliches Kind. Als in Berlin der Kinderentführer
„Mister 2000“ wieder zuschlägt, scheint wenigstens etwas
Spannendes zu passieren. Das unterschiedliche Team aus Rico und Oskar
begibt sich auf die Suche. Gleichzeitig erfährt man ganz viel
über Gefühle und den Beginn einer Freundschaft. Durch die
frische, unverblümte Jungensprache ist das Buch lebensnah und
aktuell. Wird die Situation bedrohlich, verblüfft der Sprachwitz
und Einfallsreichtum der Kinder. „Blutmatsche“, klar das gibt es bei
uns jetzt auch, seit wir dieses großartige Buch gelesen haben.
Selbstverständlich stehen wir auf der Vormerkliste für das
nächste „Rico und Oskar“- Buch in unserer Gemeindebücherei.
IP
Rico, Oskar und die
Tieferschatten Andreas Steinhövel
224 S.
Carlsen Verlag 2008
Der 9 jährige Rico muss ein Ferientagebuch schreiben, keine
leichte Aufgabe für jemanden, der sich selbst als tiefbegabt
bezeichnet. Doch bald hat er viel zu erzählen, denn er lernt
Oskar kennen, einen kleinen Jungen, der zwar nie ohne Fahrradhelm aus
dem Haus geht, darunter aber ziemlich helle ist. Gemeinsam geraten
sie in den Bann des gefährlichen Entführers Mister 2000 und
ihre Freundschaft wird auf eine echte Bewährungsprobe gestellt.
Aber zwei wie Rico und Oskar, die schaffen das schon!
Wunderbar erzählte Kindergeschichte über die Freundschaft
zweier Aussenseiter, die endlich auch mal Jungen begeistern
dürfte,
angereichert mit viel Kreuzberger Lokalkolorit.
Berliner Kinder können sich mühelos auf Spurensuche rund um
die „Dieffe“ begeben und lernen dabei gleich, mit dem
Stadtplan zurechtzukommen, eine Fähigkeit, auf die Rico echt
neidisch ist...
Ein Ferientagebuch, selbst erlebt oder
selbst ausgedacht, liegt bei diesem Buch einfach auf der Hand. Ebenso
wie die Frage nach den persönlichen
„Tieferschatten“, die wohl schon jeden heimgesucht haben.
KS
Keeper
Mal Peet
221 S.
Carlsen-Verlag, 2007
Auswahlliste DJLP 2007
Jurybegründung AKJ:
El Gato hat es
geschafft: Die Torwartlegende und seine Mannschaft haben die
Weltmeisterschaft gewonnen. In einem Interview mit dem
Sportjournalisten Paul Faustino erzählt er von seiner Kindheit
in einem Arbeiterdorf mitten im südamerikanischen Urwald. Er
berichtet von seiner Begegnung mit dem Keeper, einer Erscheinung, die
ihm auf einer im Wald verborgenen Lichtung beibringt, worauf es beim
Torhüten wirklich ankommt. Doch bis zur Nationalmannschaft ist
es ein langer und mühsamer Weg und El Gatos Aufstieg
verläuft nicht ohne Verluste. Mal Peet schreibt überaus
gefühlvoll und fesselnd. Gekonnte Naturbeschreibungen zeigen die
faszinierende Tier- und Pflanzenwelt des Regenwaldes und lassen ihn
lebendig werden. So ist diese „Biografie“ nicht nur die
Geschichte einer unglaublichen Fußballkarriere, sondern auch
ein Buch über die Natur und den Umgang des Menschen mit ihr. Im
diffusen Licht des Regenwaldes scheint auch die geheimnisvolle
Gestalt des Keepers möglich. Ab 13
–
Paul Faustino, der wichtigste Fußball-Journalist
Südamerikas, interviewt den größten Torhüter der
Weltgeschichte, dem das Land seit wenigen Tagen den
Weltmeisterschaftspokal verdankt.
Der Torwart erzählt
aus seinem Leben: er ist „am Rand der Welt“ in einer
rotstaubigen Stadt aufgewachsen, einer Wellblechhütten-Stadt der
Holzfäller mitten im Dschungel. Nach der Schule wird auf der
Plaza Fußball gespielt, bis es dunkel wird. Alle sind vom
Fußball besessen, aber ihn verspottet man als „ la
cigüeña “ (der Storch), weil er nur staksig im Weg
steht. Also hört er auf mit dem Fußballspielen. Aber aus
Langeweile wendet er sich dem unbekannten und bedrohlichen Dschungel
zu, der ihn und alles umgibt. Eine unheimliche Anziehungskraft ruft
und findet ihn: der Keeper. Nun beginnt ein Fußballtraining der
besonderen Art; mitten im Urwald auf einem seltsamen Bolzplatz lernt
er alles über Fußball, das Torhüten und seine eigene
Psyche. Daneben fordert das harte Holzfällerleben seinen Tribut,
aber mit dem Training der Keepers und der Begabung des Jungen wird
aus dem Storch am Ende „El Gato“, die Katze.
Als
Katze erleben wir den Jungen nun ruhig und konzentriert, umsichtig
und vorausschauend in Bezug auf Mitspieler und Gegner.
Wunderbar, wie hier auf Erkenntnisse, Leidenschaften und Aggressionen
reagiert wird. Einfach mitreißend!
IP
Lilis Leben eben
Valérie Dayre
121 S.
Carlsen Verlag
DJLP 2006
Jurybegründung
AKJ:
Ein Buch wie ein Vexierspiel: Kaum meint man, die
ersten verschlungenen Fäden aus Realität und
Träumerei, Wahrheit und Erfindung entwirrt zu haben, steht man
vor dem nächsten Rätsel. Haben ihre Eltern die
12-jährige Lili auf der Fahrt in die Ferien tatsächlich und
mit Bedacht an einer Raststätte zurückgelassen? Oder hat
Lili diese Tagebuchgeschichte nur am Urlaubsstrand erfunden? Was ist
mit Lili los? Warum drängt es sie fort? Auch die nachfolgenden
Ereignisse hängen in einer merkwürdigen Schwebe und geben
keine Antwort. Valérie Dayres treffsichere Schilderung
typischer Stationen eines Familienurlaubs wird zu einem raffinierten
Spiel mit der Fiktion in der Fiktion. Schlüssig erzählt sie
auf diese Weise von dem Versuch des Mädchens, sich durch den
Schreibprozess mental auf die Trennung von den Eltern vorzubereiten
und erwachsen zu werden. Der von Maja von Vogel mit feinem
Gespür übersetzte Roman fasst die Befindlichkeiten beim
Übergang zur Pubertät in ein irritierend bedrückendes
Szenario. Er bietet dem Leser weiten Interpretationsspielraum
für seine eigenen ambivalenten Gefühle. Ab 11
Schwester
Jon Fosse u. Aljoscha Blau (Illustr.)
48 S.
Bajazzo Verlag
DJLP 2007
Jurybegründung AKJ:
Wie auf einer
Perlenkette reihen sich die Gedanken eines Jungen aneinander. Die
kindliche Perspektive erlaubt einen Blick in sein Universum, das wie
ein Film an den Lesern vorbeizieht. Staunend und atemlos scheint der
Junge seine Umwelt aufzunehmen. Der kindlichen Unbekümmertheit
stellt der norwegische Autor Jon Fosse die elterlichen Ängste
und Sorgen gegenüber. Die Diskrepanz, die zwischen Kinder- und
Erwachsenenwelt sichtbar wird, könnte kaum eindrücklicher
beschrieben werden.
Durch seine sprachlich
außergewöhnliche Darstellung erobert Fosse im Kinderbuch
neue und faszinierende Ausdrucksformen. Die intensiv verdichtete
Sprache überträgt Hinrich Schmidt-Henkel auf besondere
Weise ins Deutsche. Dem Illustrator Aljoscha Blau gelingt es, den
Zauber dieser Kindheitsgeschichte in kühle
Landschaftszeichnungen und atmosphärische Szenen zu fassen, die
kindliche Verlorenheit und Individualität widerspiegeln. Ab 5
Total
verrückt
Jean-Paul Noziere
128 Seiten
Altberliner Verlag GmbH, 2006
Aischa ist 14 Jahre und lebt mit ihre Eltern und ihrem
verrückten Bruder in einer französischen Kleinstadt. Vor
langer Zeit ist sie mit Mutter und Bruder aus Algerien
geflüchtet und zum Vater nach Frankreich nachgekommen. Nun
arbeitet die Mutter als Hausmeisterin in einer Schule. Dort, in der
Hausmeisterloge, spielen sich weite Teile von Aischas Leben ab: dort
muss sie oft auf ihren Bruder aufpassen und dort büffelt sie
für ein externes Begabten-Abitur. Und das heimlich, denn auf
Grund einer ominösen Krankheit kann Aischa die normale Schule
nicht besuchen. Irgendwann beginnt Aischa, ihre Mutter mit
Kassettenrecorder und Mikrofon zu Leben und Vergangenheit in Algerien
zu interviewen. Diese mutige Vergangenheitsbewältigung setzt
Kraft frei und überbrückt innerfamiliere Konflikte, hilft
letztendlich beim Bestehen des Abiturs.
Ein
außergewöhnliches Buch über die Anstrengung der
Integration und die Kraft des Willens.
Ein Bild von Ivan
Paula Fox
122 S.
Boje Verlag 2007
DJLP
2008
Jurybegründung AKJ:
Im Haus, in dem
der 11-jährige Ivan lebt, findet sich kein einziges Bild seiner
früh verstorbenen Mutter. Im seltsamen Kontrast dazu steht die
regelrechte Fotografierwut, die Ivans Vater umtreibt. Der poetische,
kurz gefasste, fast komprimiert wirkende Roman der großen
amerikanischen Autorin Paula Fox dreht sich leichtfüßig um
das Thema Bilder: Um Eigen-Bilder, Fremd-Bilder und Ab-Bilder.
Virtuos spielt Fox mit diesem Sujet und zeichnet das
eindrückliche Porträt eines Jungen, der kaum Zuwendung und
Wärme erfuhr. Als Ivans Vater ein Ölgemälde von seinem
Sohn in Auftrag gibt, tritt eine Wende ein. Der Atelierbesuch beim
Maler Matt und der lesebesessenen Mrs. Manderby wird für den
Jungen zur bedeutsamen Begegnung: Nicht nur mit liebenswerten
Anderen, sondern auch mit sich selbst. Das große Schlittenbild,
das wie nebenbei beim Porträtieren entsteht, rundet den Text zur
Reflexion über Identität und Selbstfindung ab. - Ein
großer poetischer Entwurf, der Kindheit zart in Worte
gießt und behutsam zu trösten versteht.
Ivans Vater hat ein besonderes Verhältnis zu
Bildern; überall im Haus hängen Fotos von Ivan und jetzt
soll der Maler Matt auch noch ein Portrait von dem Jungen malen. Der
begreift nach und nach den Unterschied zwischen Malerei und
Fotografie, er freut sich auf seine Sitzungen bei dem Maler und der
Lese- und Vorlese-Begeisterten Miss Manderby, die ihm vorlesen soll,
damit Ivan stillsitzt. Nach und nach enthüllt sich Ivans
Geschichte, er erfährt mehr über sich selbst, über
seinen Vater und warum nirgendwo im Haus ein Bild seiner Mutter zu
finden ist. Durch die Treffen mit dem Maler begegnet Ivan sich
selbst.
Dakota
Pink
Philip Ridley
Fischer Taschenbuch, Frankfurt 1995
Dakota Pink ist ein freches, überaus zielstrebiges Mädchen,
dass mit seiner Freundin zusammen dem Geheimnis der schrulligen
Medusa und ihrer Diamantengeschmückten Schildkröte auf die
Spur kommt. Dabei deckt sie nebenbei noch ein Verbrechen auf und
erfährt Einzelheiten über ihre eigene Herkunft. Der
Kinderroman ist sparsam comichaft illustriert und eröffnet auch
damit viele Möglichkeiten, an denen man anknüpfen kann. Auf
der Ebene des Spiels können kriminalistische Fähigkeiten
eingeführt werden (natürlich immer mit einer literarischen
Wendung), auf der darstellerischen Ebene können die Kinder in
die Technik des Comiczeichnens eingeführt werden. Auf diese
Weise können wir die Struktur des Krimis und die comichafte
Überzeichnung für die kreative Umsetzungen nutzen.
Sehr empfehlenswert!
Das Buch von allen Dingen
Guus Kuijer
93 S.
Oetinger Verlag
Auswahlliste des DJLP 2007
Jurybegründung AKJ:
Das Glück
scheint für Thomas sehr weit entfernt zu liegen. Er lebt in
einem streng gläubigen Elternhaus, in dem sein
gewalttätiger Vater die Familie tyrannisiert. Die Bibel dient
ihm als scheinbare Legitimation für seine
regelmäßigen Gewaltexzesse. Von der Mutter bekommt Thomas
keine Unterstützung; auch sie scheint wehrlos dem Geschehen
ausgeliefert zu sein, ebenso wie die Schwester. Doch trotz dieses
bedrückenden Familienszenarios gelingt es Guus Kuijer, seine
Geschichte mit einem hoffnungsvollen Grundtenor zu unterlegen. Kuijer
stellt Thomas nicht nur eine große Portion Phantasie und
Vorstellungskraft, sondern auch Personen an die Seite, von denen er
Hilfe erfährt. So von seiner Nachbarin, Frau Van Amersfoort, die
Thomas nicht nur mit Lesestoff versorgt, sondern auch Zivilcourage
beweist. Das behinderte Mädchen Elisa führt ihn auf seinem
vorsichtig eingeschlagenen Weg zum Glücklichsein. Sylke
Hachmeister hat die berührende Erzählung gelungen ins
Deutsche übertragen und dabei den Kuijerschen traurig-komischen
Stil wunderbar getroffen. – Ein Buch von allen hoffnungsvollen
Dingen. Ab 10
Der beste Hund der Welt
Sharon Creech ,
Fischer Schatzinsel, Frankfurt 2003, 96 S.
Der
Mann, der Bäume pflanzte
Jean Giono,
Quint Buchholz (Ill.)
Sanssouci Verlag Gebundene Ausgabe
2006,
64 S.
Ein Zwilling für Leo
Sébastien Joanniez, Régis Lejonc (Ill.)
Verlag
Beltz & Gelberg, Basel 2006, 80 S.
Ein Pferd names Milchmann
Hilke Rosenboom, Anke Kuhl(Ill.)
Carlsen Verlag,
Hamburg2005, 138 S.
Diese wunderbare Pferdegeschichte hat endlich mal einen Jungen als
Hauptfigur. Herman, der es liebt, seine Butterbrote mit eingeritzten
Zeichnungen oder durch Ausstechen mit Plätzchenformen zu
gestalten. Diesem Herman läuft eines Morgens ein Pferd zu. Kein
Wunder, dass er davon ein bischen überfordert ist, und erstmal
versucht, das große Tier in der Garage zu parken. Aber
natürlich ist das keine artgerechte Lösung, das ist auch
Herman klar. Überraschender Weise haben plötzlich auch noch
andere Menschen in der Stadt ein Pferd zuviel. Und Gottseidank gibt
es den alten Feuerbach, der eine Menge über Pferde weiß,
und auch über Menschen. Die Geschichte entwickelt eine ganz
eigene Dynamik, zeichnet liebevoll skurrile Charaktere und beweist,
das ein Pferdebuch auch witzig und intelligent geschrieben sein kann.
Eddies
erste Lügengeschichte
Zoran Drvenkar,
Kerstin Meyer (Ill.)
Verlag Friedich Oetinger, Hamburg 2000,
63 S.
Neun
nackte Nilpferd-Damen
Gerda Anger-Schmidt,
Renate Habinger (Ill.)
Verlag NP,St. Pölten 2003, 124
S.
Prinz
William, Maximilian
Minsky und ich
Holly-Jane Rahlens,
Rowohlt TB Verlag, 2004, 212 S.
Schlimmes
Ende
Philip Ardagh, David Roberts (Ill.)
Verlag Omnibus/Random House 2004, 125 S.
So B. it
Sarah Weeks,
Carl Hanser Verlag 2004, 222 S.
Eines Tages spazieren sie in Bernies Wohnung und auch gleich direkt
in ihr Herz: Heidi, damals noch ein Baby, und ihre Mutter. Schnell
merkt Bernie, dass die Frau, die als ihren Namen „So B
it“ angibt mit dem Leben als solchem und mit der Pflege ihres
Kindes insbesondere, restlos überfordert ist. So entsteht eine
Art Schicksalsgemeinschaft, denn auch mit Bernie hat es das Leben
nicht immer nett gemeint: sie leidet an Agoraphobie und geht nie auf
die Straße. Aber je älter Heidi wird, umso dringlicher
beschäftigen sie die Fragen nach ihrer Herkunft. Was steckt
hinter dem geheimnisvollen Wort „Soof, das ihre Mutter immer
benutzt und wer sind die Personen auf den Fotos, die sie eines Tages
entdeckt ? Heidi muss sich, gegen die Widerstände von Bernie,
auf den Weg machen...
Wissen woher man kommt, der eigenen
Identität auf die Spur kommen ist Thema des herausragenden
Jugendbuches von Sarah Weeks. Die kleine Welt der scheinbar aus dem
Leben Gefallenen wird dabei mit umwerfender Herzenswärme und
Humor geschildert. Daher ist es auch ganz klar, woher Heidi ihre
Stärke nimmt, um ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen.
Den eigenen Namen auf die Spur kommen, zu gucken, was sie genau
bedeuten (gerade türkische Namen haben immer eine bildhafte
Bedeutung !) , Eltern zu interviewen, was hinter der Namensgebung
steckt, einen eigenen Stammbaum anfertigen oder eine Liste mit
wichtigen Dingen erstellen, wie Heidi es tut, um ihr Leben in eine
Ordnung zu bringen können Aktionen sein, die die Lektüre
des Buches spielerisch unterstützen. K.S.
Winn-Dixie
Kate DiCamillo,
dtv 2001, 140 S.
Wenn Herzen
klopfen
(Das Kinderbuch von der Liebe)
Pernilla Stalfelt
Moritz Verlag, 2002, 26 S.
In diesem Buch beleuchtet die Autorin und Illustratorin P.S. die
verschiedenen Aspekte der Liebe und ihres Ausdrucks im Bereich
dessen, was Kindern bekannt ist. Ich fragte eine junge Dame des
passenden Alters (12 Jahre) nach ihrer Meinung. Sie fand es -
O-Ton:„gut“ und vermutlich haben ihr die schrägen
und schrill gezeichneten Szenen geholfen, die peinlichen Inhalte
weniger peinlich zu finden. Das macht es zu einem wichtigen Buch: es
schafft eine Ebene, auf der Bilder und Gedanken über die Liebe
Platz haben, und noch dazu kann man beiläufig lernen, dass Humor
in Liebesangelegenheiten sehr hilfreich sein kann.
Entkrampfend und informativ– O-Ton: „die Kinder wollen ja
schließlich auch Bescheid wissen“, könnte ich mir
dieses Buch hervorragend besonders in den Zusammenhängen
vorstellen, wo „zwangsläufig“ über Liebe
geredet wird, also z.B. im Aufklärungsunterricht in der Schule,
oder natürlich auch zuhause. Sowohl für zeichnerische
Umsetzungen als auch für eine Schreibwerkstatt bietet sich diese
Buch an, denn die Künstlerin schafft es, durch ihren Stil in
Bild und Wort Nachahmungslust entstehen zu lassen.
Mal einen
Liebesbrief zeichnen? Und ihn an das eigene Meerschweinchen richten?
Oder einfach mal alles und alle aufschreiben, was und wen man liebt?
Geht bestimmt auch mit Jugendlichen und Erwachsenen, wenn zum Thema
Liebe etwas erarbeitet werden soll. Da sollte man sich vom Untertitel
nicht abschrecken lassen. jps
Meisterwerk
Frank Cottrell Boyce
319 S.
Carlsen Verlag
Auswahlliste des DJLP 2007
"Das
ist vielleicht ein Buch!"
Der ca. 11 jährige
Dylan, einfallsreich und freundlich, der schon mal Frostschutzmittel
mit Motoröl verwechselt, erzählt uns, was in dem
schiefergrauen Manod und in seiner Familie passiert. Mit Hilfe eines
roten, goldverzierten Buches, seiner Datenbank, erfährt man vom
stillgelegten Schieferabbaustollen, in dem die Bilder der National
Gallery London gelagert werden, natürlich geheim und unbemerkt.
Die KFZ Oase von Dylans Dad floriert nicht, und stürzt Dad, der
fast alles reparieren kann, in eine Krise, die auch die
Familien-Managerin Mum stark mitnimmt. Seine geniale Schwester Mimi
plant einen aufregenden Coup, seine schöne Schwester Marie kennt
sich mit Technik und Vaters Maschinen am besten aus. Auch Baby Max,
der in 7 Jahren bestimmt ein idealer Kickpartner sein wird, spielt
eine wichtige Rolle.
Lester, der Abgesandte der National
Gallery und Chef der gelagerten Kunstwerke, ist von Dylan und dessen
vermeintlichem Kunstverstand sehr beeindruckt. Durch Dylan bekommen
die engagierte Schullehrerin, die Kinder und einige Bewohner Manods
die (nun nicht mehr) geheimen Bilder zu sehen. Durch das unmittelbare
und unbekümmerte Betrachten der Bildwerke entwickeln sich neue
Perspektiven in Leben und Wahrnehmung der Protagonisten. Es entstehen
spontane, bunten Ideen, bringen neues Leben ins vormalig graue Manod
und haben überraschende Auswirkungen auf Mum, den grantigen
Metzger und andere Beteiligte. Ein Ort, in dem man -jetzt- auch leben
möchte. Ein Buch, das man mit einem Schmunzeln schließt.
(IP)
Jurybegründung AKJ:
Im Schlagschatten eines großen Berges leben die Bewohner des
walisischen Städtchens Manod. Doch die verträumte
Kleinstadt-atmosphäre wird gestört, als die wertvollen
Kunstwerke der National Gallery im Bauch des Berges eingelagert
werden sollen.
Frank Cottrell Boyce greift diese
„wahre“ historische Begebenheit auf, verschiebt sie in
die Gegenwart und entwickelt daraus einen fulminant ersonnenen Roman.
Dabei zeichnet er ein liebevolles Porträt eines kleinen
Tagebuchschreibers und dessen Familie, die den Anforderungen ihres
nicht immer einfachen Alltags mit viel Charme und Erfindungsgeist
trotzen.
Boyce schafft eine klug erdachte Familiensaga, eine
heitere Schelmengeschichte und surft gleichzeitig durch die
Kunsthistorie, ironisiert den bildungsbürgerlichen Umgang mit
dem wertvollen Erbe. Schwungvoll erzählt, mit Liebe zum Detail
und mit viel Humor und literarischem Verstand, schafft der Autor ein
wunderbar verregnetes Meisterwerk. Die Übersetzung aus dem
Englischen von Salah Naoura lässt das walisische Schiefergrau
des Schauplatzes Manod in Sonnenblumengelb leuchten. Ab 11
Weitere Titel und Rezensionen folgen!